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Heike Lenze, Kulturwissenschaftlerin

einBlick | wortbilder von Georg Gras

(2010)
Der Berliner Georg Gras gibt neue einBlicke zu den Themen Kunst, der Betrachtung von Kunst, dem voyeuristischen Blick, dem Wahr-nehmen an sich. Dabei nähert sich der leise Wortakrobat spielerisch reflektierend dem Thema, das einerseits so selbstverständlich scheint und doch immer wieder verunsichert. Wie sehen wir uns Kunst an? Was ist Kunst überhaupt? Nehmen wir uns selbst und unseren Blick dabei wahr? Betrachten wir eher die Betrachter oder uns selbst durch die Kunst?
Seine Fotografien fangen aus unterschiedlichen Blickwinkeln Ausschnitte von Ausstellungen ein und machen uns zu Betrachtern dritten Grades. So betrachten wir, wie der Fotograf die Betrachter betrachtet. Das macht Spaß und ist gleichzeitig absurd. Dabei rückt die Reflexion von Kunst selbst ins Zentrum.
Die Grafiken, die Georg Gras spielen nicht mit dem Blick, sondern mit dem Wort, sie zerlegen es um sich den Worten in ihrer Bedeutung wieder neu zu nähern.
Die Ausstellung „einBlick“ des Berliner Künstlers und Wortakrobaten Georg Gras besteht aus zwei Teilen. Fotografien und Grafiken, die sich aus Buchstaben zusammensetzen und Texte, die die Ausstellung begleiten. Als verbindendes Element zwischen beiden Teilen kann das Wahr-nehmen an sich verstanden werden.

So nimmt Georg Gras mit Hilfe seiner Grafiken die Sprache in den Blick. Er zerlegt Worte in seine Bestandteile, isoliert Buchstaben, lässt sie wirken um sie im nächsten Moment in eigenwilligen neuen Bedeutungszusammenhängen erscheinen zu lassen. Es macht großen Spaß sich Worten von neuen Seiten zu nähern und Bedeutungen zu entdecken die uns bis dahin verschlossen waren.

Georg Gras zeigt Fotografien von Ausstellungen. Dabei wird zum einen die Inszenierung von Kunst innerhalb von Museen deutlich, zum anderen aber auch das Wahrnehmen der Kunst seitens der Besucherinnen und Besucher. Er zeigt nicht leere Räume, sondern die Ausstellung in Aktion.
Und so finden wir uns plötzlich in der Situation wieder, die fotografierten BesucherInnen der Ausstellungen zu beobachten. Eine absurde Situation: als BesucherIn einer Ausstellung beobachten wir BesucherInnen anderer Ausstellungen.
In der Systemtheorie nach Luhmann nennt man das Beobachtung zweiter Ordnung. Wenn ich jetzt hier wiederum Besucher dabei beobachte wie sie die Besucher auf den Fotografien betrachten handelt es sich schon um eine Beobachtung dritter Ordnung. Ich will mich hier nicht in der Systemtheorie verlieren freue mich aber darüber Begriffe dafür zu finden was Georg Gras hier mit uns macht. Denn er zeigt uns hier nicht etwa nur Fotografien, mit ungewöhnlichen Perspektiven und Bildausschnitten, er schummelt uns einen Reflexionsraum über die Kunst an sich unter. Das macht mir Spaß, denn es führt mir vor Augen was Kunst kann.
Kunst als fiktionale Realität ermöglicht es uns aus unserer alltäglichen „realen“ Wirklichkeit zu distanzieren, sie zu reflektieren. Erst in der Differenz von Kunst und Alltag entsteht ein Raum, durch den wir unsere eigene tägliche Wirklichkeit bewusst wahrnehmen können. Unser Bezug zur Welt und unsere Position darin werden so immer wieder auf die Probe gestellt und das ist gut so.
Somit ist Kunst ein Reflexionsraum für unseren Alltag. Mit seinen Fotografien macht Georg Gras also die Kunst, ihre Schauplätze und die Wahrnehmung von Kunst selbst zum Thema und das auf sehr spielerische Weise. Damit könnte man ihn als Kunstvermittler verstehen, der sich im Rahmen der Ausstellung „einBlick“ vermittelnder Kunst verschreibt.